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ten, Jahrhunderten oder gar wie sie jetzt groteskerweise
vorgenommen werden nach Jahrtausenden unsinnig oder
jedenfalls grobschlächtig, aber sie haben eine Art von
symbolischer Prägekraft, und man muß sie im Hinblick
auf das akzeptieren, was sie in der populären Einbildungs-
kraft bewirken. Auch die schulischen Lehrpläne und die
Handbücher gehen nach Jahrhunderten und befassen sich
mit so heiklen Problemen wie der Frage, ob Napoleon zum
achtzehnten oder zum neunzehnten Jahrhundert gehört. Es
ist wie bei der Einberufung zum Militär: Wer am 31. De-
zember geboren ist, muß sterben gehen, wer am 1. Januar,
darf leben bleiben. Außerdem ist es schwierig, Gefühlsur-
teile über Jahrzehnte abzugeben: Für einen, der seine erste
große Liebe 1943 hatte, sind jene blutigen Jahre wunder-
bar und erregend gewesen.
Aber machen wir einmal das Spiel der Chronologien mit
starren Kästchen. Die wichtigsten Jahre für das moderne
Italien und vielleicht für die Welt sind die fünfziger gewe-
sen (die natürlich im voraufgegangenen Jahrzehnt began-
nen). Jahre der Erneuerung in jeder Hinsicht, der Öffnung
zur Welt und neuer, folgenreicher wissenschaftlicher Ent-
deckungen. Europa teilt sich in zwei Lager, der Kalte
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Krieg beginnt. In den sechziger Jahren beginnen die neuen
Generationen über die Ozeane zu fliegen, wie man früher
im D-Zug fuhr, die Wirtschaft brummt, die Literatur und
die Künste blühen, es kommen Johannes XXIII. und das
Zweite Vatikanische Konzil. Daß in manchen Teilen der
Welt Massaker geschahen, war auch eine Gelegenheit für
große Politisierungen, aber den Grundton des Jahrzehnts
gab zu Beginn Kennedy mit seinem Aufruf zur Eroberung
der Sterne an; er starb bald darauf, aber das Jahrzehnt en-
det mit der Landung auf dem Mond. Und mit der Bewe-
gung von Achtundsechzig, weltweit: Trächtig mit all den
positiven und negativen Folgen, die sie im nächsten Jahr-
zehnt haben wird, bewirkt sie einen Ruck durch die ganze
Gesellschaft, von der Arbeitswelt bis zur Kultur, von der
Politik bis zum Lebensstil. Man kann nicht sagen, es sei
eine uninteressante Zeit gewesen.
Die siebziger Jahre (die heute im Fernsehen wiederbe-
schworen werden, als seien sie die tollen Zwanziger gewe-
sen) waren zumindest bei uns ein sehr düsteres Jahrzehnt.
Sie beginnen Ende 1969 mit dem Bombenmassaker an der
Piazza Fontana und enden mit der Ermordung Aldo Mo-
ros. Die Gesellschaft wird vom Terrorismus erschüttert,
die Leute haben Angst, abends ins Restaurant zu gehen.
Auch die aufgeklärtesten Geister verlieren die Orientie-
rung und wollen es weder mit dem Staat noch mit den Ro-
ten Brigaden halten. Mit wem also dann? Um der neuen
massenmedialen Potenz des Terrorismus entgegenzutre-
ten, schlägt Marshall McLuhan, der Apostel des globalen
Dorfes der Kommunikation, ein Blackout vor, sprich: die
Zensur.
Danach kommen, wenn nicht aus anderen, aus chronolo-
gischen Gründen, die achtziger Jahre, von denen man heu-
te bloß überall das aufsteigende Yuppietum und bei uns
die verallgemeinerte Korruption sowie die Aufweichung
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der Ideologien sieht. Aber in fünfzig Jahren werden wir
dieses Jahrzehnt als eines der wichtigsten des Jahrhunderts
sehen, dasjenige, in dem sich traumatisch, gewiß, aber
unwiderruflich die großen Knoten auflösen, die uns seit
dem Ende des Ersten Weltkriegs in Starre versetzt oder
fasziniert hatten, von den großen totalitären Utopien bis
zum Kalten Krieg. Es beginnt die Auflösung der großen
Imperien, Europa schickt sich an, seine politische Geogra-
phie zu verändern, viele Minderheiten werden, wenn auch
mit riesigen Widersprüchen, offiziell anerkannt, die Par-
teien, die die politische Szene beherrscht hatten, beginnen
sich nach ihrer Identität zu fragen, die klassische Auftei-
lung zwischen rechts und links restrukturiert sich (nicht
nur der Marxismus gerät in die Krise und besinnt sich neu,
im selben Jahrzehnt beginnt auch der selbstkritische Weg
der extremen Rechten, auch wenn sich rechts von der ex-
tremen Rechten und links von der extremen Linken neue
radikale Gruppen bilden), neue lagerübergreifende Initia-
tiven entstehen, von der Ökologie bis zum Engagement in
vielerlei Hilfsorganisationen. Zur selben Zeit beginnt in
massiver Form die große Migration der Dritten Welt zur
Welt des Wohlstands, und es kommt zu den (gewiß nicht
friedlichen) Vorläufern der ethnischen Transformation Eu-
ropas. Der Fall der Berliner Mauer ist das bloß noch sym-
bolische Ereignis, das ein Dezennium epochaler Verände-
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