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für den Menschen, für uns wirklich bedeutet. Wir können kalten Herzens den 'Menschen' Wagner ablehnen, ja
schmähen und damit es ganz für nichts erachten, daß täglich Ströme des Segens von ihm ausgehen, Ströme
der Kultur, der Erhebung aus dem profanen Alltag, der Reinigung durch geistige Mächte.
1913
In ein Zimmer, dessen rosa getünchte Wände in einer breiten bunten Zierleiste auch ein kleines kaum
bemerkbares blaues Muster aufweisen, wird eines Tages ein großer blauer Teppich gehängt. Und nun sollte
man die kleinen blauen Muster sehen, wie sie mit einem Male leben und leuchten!
LITERATUR
1895
Alle Buchstaben, die je von Menschen geschrieben, zählen.
1897
Stufen 35
Nach der 'Wildente': Ibsen wäre 'ungriechisch'? Aber was taten die alten Griechengötter andres, als
(scheinbar) kalt und spöttisch das Treiben der Sterblichen betrachten, im Bewußtsein der Notwendigkeit aller
Dinge.
So steht Ibsen vor seinen Mitmenschen. Der herbe Duft einer gewissen Lächerlichkeit, welche das
Kennzeichen jeder Tragik ist, schwebt um seine Werke.
1901
Es gibt ein höchst bedeutendes Bruchstück in unserer Literatur: Der 'Empedokles' von Hölderlin. Hier habe
ich einmal den abgebrochenen Weg des deutschen Dramas zu sehen vermeint.
* * * * *
Die Griechen gestalteten ihre Sagen; die Renaissance lebte in diesen Sagen und in den Erzählungen der Bibel;
die neue Zeit, in der Breite ihrer Völker jenen Sagen wie diesen Berichten ferner und ferner rückend, muß die
ganze bisherige Geschichte zum Stoff ihrer Kunstwerke nehmen. Unsere Sage sind die großen Epochen der
Geschichte geworden, unser Göttermythos der Mythos vom großen Menschen in allen Zeiten. Dies ist recht
eigentlich die uns zugeborene Sage: die Menschheits-Sage. In ihr liegen jene heidnischen und christlichen
Stoffe mit inbegriffen, aber sie selbst ist noch unausmeßlich weiter und tiefer, ihr Reich geht noch hinter alle
Sagenkreise zurück und unter sie hinab, bis auf die Menschen, ja bis auf die Völker, die diese Kreise
ersannen. Ein erster ungeheuerer Überblick über dreitausend Jahre geistige Erde ward möglich. Menschen
dieses Überblicks werden die neue Tragödie schreiben, die einzige, welche der griechischen ebenbürtig sein
wird, ja, welche sie überfliegen wird wie der Adler den Falken.
1904
(Zum Thema Strindberg.)
Es entsteht jedesmal ein bedeutendes Schütteln des Kopfes, wenn ein absonderlicher Mensch durch das Mittel
einer großen künstlerischen Begabung in die Welt hinausgreift. Begabung sollte eigentlich immer mit
Bravheit gepaart sein, meint man, da man gern in aller Ruhe lernen und bewundern will; so kommt man
weiter in der Bravheit, und damit, meint man, in der Kultur. Ein Mensch, der einen nötigt, mit ihm zu laufen,
dann jäh wieder umzukehren, dann plötzlich ins Wasser zu springen, darauf vielleicht donquichotisch auf ein
eingebildetes Amazonenheer loszurücken, schließlich mit einem Male in einem Kloster zu verschwinden, um
mit einer Maske in der Linken und einer Geißel in der Rechten wieder hervor zu kommen, ein solcher Irrstern
und Wirbelsturm wird nicht gern einregistriert und als voll genommen. Ein genialer Verrücktling, sagt man
und geht wieder zur Ordnung über. Daß aber hier ein Mensch wie ein gehetztes Wild durch die Felder und
Wälder, Schluchten und Flüsse des Lebens stürzt, gehetzt -- ja wovon? -- von irgend einem Verfolgungswahn:
als flöge die Finsternis hinter ihm her, aus der er entsprungen, und er müßte das ewige Licht finden, bevor sie
ihn wieder packte, -- oder von irgend einem Sehnsuchtswahn -- wonach? --: nach dem grünen Wiesental eines
unbewölkten Friedens oder nach dem Gipfelfelsen über den Nebeln, von dem aus er hinüberfliegen könnte ans
Ufer eines anderen Sterns, einer höheren Welt, -- daß aber hier ein Mensch durch die Welt geht, allen Jammer
des Menschlichen vor sich her tragend, in Jubel und Hohn und Haß und jedem Gefühl vom niedrigsten bis
zum höchsten, das wird als nichts empfunden, das bleibt tot und unfruchtbar für den ganzen Bann der
Geordneten.
So ein Toter aber, solch ein den meisten nur selten und unvollkommen lebendig Werdender ist August
Strindberg, ein gehetztes Wild, eine laufende Flammensäule, ein Mensch, alles in allem, vor dem die
Sehnsucht nach jenem 'Blitz aus der Wolke, der da heißt Über-Mensch' aufschreit, wenn irgendwo: denn
dieser Untergehende ist ein Hinübergehender.
Stufen 36
Was liegt an 'Werken' (im letzten Grunde), was an Korrektheit, Bravheit, Nützlichkeit, Tradition, Gemüt,
Liebe -- kurz was an all dem Vordergrundswesen, außer daß da ein Mensch seinen Sinn sucht -- ein Mensch.
'Respektiert den Menschen --'; er kommt so selten zum Vorschein. Die Menschen -- was sind sie wert. Der
Mensch ist immer ein Phänomen. Er sieht nicht schön aus: Irgendwie heißt sein Name und Ruhlos sein Schuh,
sein Rock heißt Elend, seine Zunge Eitelkeit, sein Eingeweide Wollust, sein Herz Flamme, sein Auge
Sonnenheimweh, sein Wanderstab Nirgendsheim und seine bittere Nahrung Er selbst.
In den Höfen und Gärten des Menschlichen gibt es viel Nützliches und Tüchtiges zu tun. Da gebe es nur den
Schurz und die Schaufel. Da wird das Handwerk getan. Aber in der Gespensterstunde von zwölf bis eins, da
horcht hinaus auf die wilde Jagd der vom Genius Gezeichneten, da laßt den Menschen zu euch hinein und legt
die Finger in seine Wunden und fühlt --: es gibt noch etwas, wovor Kunst und Wissen und all das versinkt wie
ein Rauch.
Und da wird euch Strindberg nicht mehr nur ein genialer Sonderling dünken.
1905
Was wir in unsern neueren Büchern von der bisherigen Entwickelung der menschlichen Gesellschaft vor uns
haben, ist vor allem eins: gewaschene Geschichte. Der natürliche Duft und Brodem der Dinge dürfte uns
schlechtweg ersticken.
* * * * *
Jedem, der seine Gedanken niederlegt, blickt schon im Augenblick des Schreibens ein Größerer über die
Schulter, sei es ein Vergangener, Lebendiger, oder noch Ungeborener. Wohl dem, der diesen Blick fühlt: Er
wird sich nie wichtiger nehmen, als ein geistiger Mensch sich nehmen darf.
* * * * *
Der eine lebt, der andere schreibt sich aus. Das erste Dokument der Kultur war -- ein Tagebuch.
* * * * *
Warum ist Balzac größer als Flaubert? Weil er eine unendliche Fülle ist, aus der Großes und Geringes, aber
immer Lebendiges hervorsprudelt. Balzac ist eine blühende Wiese, wo Flaubert vielleicht ein kunstvoller
Garten. Keine Bewunderung hilft ihm gegenüber, man muß ihn lieben. Er hat dieses tief alles durchblutende
Mitgefühl, jene wahre Liebe: die Sympathie, die ihn das Leben nicht vergolden, aber mit jenen zarten Händen
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